Intrastat: Mehr als nur eine lästige Pflicht? - zoll-export.de
EXPORT- UND ZOLLPRAXIS KOMPAKT

Intrastat: Mehr als nur eine lästige Pflicht?

Meldungen sicher umsetzen

Text: Bernhard Morawetz | Foto (Header): © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Von der mittelständischen Wirtschaft bis zu den Konzernen sind viele Unternehmen von der monatlichen Pflicht zur Meldung der Intrahandelsstatistik erfasst. Nach jahrzehntelangem „Schema F“ sind insbesondere in den letzten Jahren auf europäischer Ebene wichtige Änderungen und Ergänzungen vorgenommen worden, die bereits weitreichende Auswirkungen auf die Meldungen und die Transparenz von innergemeinschaftlichen Geschäften entfalten. Zeit für eine kleine Analyse und Darstellung der typischen „Stolperfallen“ in der innerbetrieblichen Praxis.

Auszug aus:

Zoll.Export
Ausgabe Dezember 2024
Jetzt Leser/-in werden

Es ist kein Geheimnis, dass die Intrahandelsstatistik, kurz Intrastat, keine alleinige deutsche Erfindung ist. In der Intrastat werden die körperlichen Versendungen von Waren zwischen zwei verschiedenen EU-Ländern erfasst. Die Intrastat liefert Daten zum innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU-Staaten. Die gesetzliche Basis bilden verschiedene deutsche Gesetze und EU-Verordnungen:
– Bundesstatistikgesetz, BStatG
– Außenhandelsstatistikgesetz, AHStatG
– Außenhandelsstatistik-Durchführungsverordnung, AHStatDV
– VO EU 2019/2152 europäische Unternehmensstatistiken
– VO EU 2020/1197 Durchführungsverordnung zu europäischen Unternehmensstatistiken

Dass es diese Grundlagen gibt, ist vielen Anwendern nicht bewusst. Wie wichtig kann schon so eine Statistik sein?

Geht man nach § 19 Bußgeldvorschrift AHStatG, sollte man die Intrastatmeldungen nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Ordnungswidriges Handeln nach § 23 Abs. 1 und 2 des Bundesstatistikgesetzes kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden.“

Zuständig für die Meldungen und die Kontrolle der Daten ist in Deutschland das Statistische Bundesamt. Im Jahr 2022 sind auf Basis dieser Vorschriften Änderungen vorgenommen worden, die die Intrastat verstärkt mit dem Bereich der Umsatzsteuer verknüpfen. Es wurde eine Pflicht zur Meldung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Geschäftspartners in der EU eingeführt. Damit wird eine verstärkte Prüfung der im Regelfall mehrwertsteuerfreien EU-Umsätze, die den Finanzbehörden in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) ebenfalls monatlich gemeldet werden müssen, verstärkt möglich. Seitdem werden nun auch Lieferungen an Privatpersonen (B2C-Geschäft) in der Intrastat erfasst. Das Statistische Bundesamt erklärt hierzu auf S. 12 des Leitfadens zur Intrahandelsstatistik:

„Zur Kontrolle der Auskunftspflicht erhält das Statistische Bundesamt von den Finanzbehörden Daten aus den Umsatzsteuervoranmeldungen. Damit können Versäumnisse oder Verstöße gegen die Auskunftspflicht erkannt und angemahnt werden.“

Bedeutet für die Praxis konkret, dass es Differenzen zwischen den Zusammenfassenden Meldungen und der Intrastat zu vermeiden gilt. Die in vielen Firmen vorherrschende Anmutung „ist ja nur eine Statistik“ sollte daher mit Bezug zur Schnittstelle Steuer bzw. Finanzamt auch abteilungsübergreifend überdacht werden.

 

Meldeverfahren im Überblick

Die Meldungen sind elektronisch entweder über IDEV oder eStatistik.core an das Statistische Bundesamt abzugeben. Das erleichtert den Behörden auch die digitale Auswertung und Prüfung der Daten. Wo früher arbeitsintensive schriftliche Formulare per Post verschickt wurden, fassen die gängigen ERP-Systeme die Intrastatdaten in den Dateiformaten XML oder CSV zusammen. Dies passiert üblicherweise auf Basis der Eingangs- und Ausgangsrechnungen für Geschäfte innerhalb der EU. Die Einstellungen innerhalb des ERPSystems stammen vielfach noch aus der „Schema-F-Zeit“ und bilden nicht unbedingt die notwendigen aktuellen Meldepflichten ab. Dies wird noch im Weiteren beleuchtet.

Meldepflicht

Die Meldepflicht beginnt für deutsche Unternehmen, wenn Versendungen, also Exporte, in alle anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen den Wert von 500.000 Euro im Kalenderjahr überschreiten. Die Meldepflicht für Eingänge von Lieferanten aus allen anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen beginnt bei Überschreitung der Wertgrenze von 800.000 Euro im Kalenderjahr. Diese Werte gelten nur für Deutschland, die anderen EU-Mitgliedstaaten haben eigene Werte, die teilweise erheblich nach unten abweichen. Slowenien hat die Wertschwelle z. B. auf 140.000 Euro für den Eingang und 200.000 Euro für die Warenversendung festgelegt.

Die Meldepflicht beginnt mit dem Monat, in dem die Wertgrenze während des laufenden Kalenderjahres überschritten wird. Wenn also bspw. im Oktober 2024 die Wertschwelle überschritten wird, dann ist schon im Oktober 2024 die erste Meldung abzugeben. Zusätzlich hierzu sind im kompletten Meldezeitraum 2025 die jeweilig betroffenen Monatsmeldungen abzugeben. Die Meldepflicht trifft Unternehmen, die nach Umsatzsteuerrecht Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben und innergemeinschaftliche Lieferungen oder innergemeinschaftliche Erwerbe tätigen. Eingeschlossen sind aber auch (Lohn-)Veredelungen innerhalb der EU, unentgeltliche Lieferungen, Konsignations- und Distributionslagerlieferungen, um nur die wichtigsten grenzüberschreitenden Lieferungen zwischen EU-Ländern zu nennen.

 

Neuerungen 2022

Die seit Jahrzehnten, um genau zu sein seit 1993, existierende Intrastat mit ihren Datenfeldern ist zum 01.01.2022 überarbeitet worden. Die zu meldenden Geschäftsvorfälle sind neu strukturiert, teilweise neu definiert und durch die Geschäftsart 12 „Direkter Handel mit/durch private(n) Verbraucher(n)“ ergänzt worden. Weitere Änderungen betreffen v. a. die Nennung des konkreten (zollrechtlichen) Ursprungslandes bei Auslandsbezug oder ausländischer Herstellung und der verpflichtenden Meldung der korrekten Umsatzsteueridentifikationsnummer des Handelspartners.

Die Umsatzsteueridentifikationsnummer ist die zentrale Angabe mit der die steuerfreien EU-Umsätze gemeldet und geprüft werden. Das Bundeszentralamt für Steuern schreibt hierzu auf seiner Homepage (www.bzst.de):

„Um die Besteuerung im Empfängerstaat sicherzustellen, ist ein umfangreicher Datenaustausch erforderlich. Hierzu wurden in der ganzen Europäischen Union zentrale Behörden eingerichtet.“

Man geht von der Logik aus, dass es sich bei gemeldeten umsatzsteuerfreien Umsätzen im Wesentlichen um Lieferungen handelt, die dann in der Intrastat auftauchen müssen. Die Nennung der USt-ID ist bei zwei Geschäftspartnern in einem Kaufgeschäft nicht besonders herausfordernd, möchte man meinen. Das wird aber insbesondere nach Umsatzsteuerrecht bei Reihengeschäften mit drei Unternehmern aus zwei EU-Ländern interessant.

Zudem gibt es noch die Variante des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts mit drei Unternehmern aus drei EU-Ländern. Beide haben gemeinsam, dass die Ware vom ersten Unternehmer direkt an den letzten Unternehmer gelangt, jedoch nur zwei Unternehmer die Warenbewegung in der Intrastat melden müssen. Und hier bilden die Steuervorschriften in Kombination mit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die Grundlage, auf der die Intrastatmeldung erfolgt.

Die steuerrechtlich korrekte Umsetzung in der Praxis stellt insbesondere mittelständische Betriebe und ERP-Systeme schon bei der korrekten Rechnungslegung vor Herausforderungen. Darüber hinaus werden aus Kostengründen vielfach Distributionslager oder -partner im EU-Ausland mit der EU-weiten Belieferung von Kunden beauftragt, die dann auch im Bereich Intrastat korrekt in Richtung Lieferung an das Lager und dann Lieferung ab Distributionslager in weitere EU-Länder abgebildet werden müssten. Die steuerrechtliche Klärung wird sicherlich im Vorfeld vorgenommen, die Intrastat bleibt meist außen vor. Und dann meldet sich irgendwann das Statistische Bundesamt.

 

Typische Fehlerquellen und ein unbekannter Leitfaden

Damit sind wir nun beim Hauptthema der Umsetzung der Anforderungen und Vermeidung von Fehlern, die sowohl das Statistische Bundesamt als auch die Finanzämter auf den Plan rufen können. Fehler passieren häufig aus Unkenntnis und nicht aus betrügerischer Absicht.

In der praktischen Arbeit muss ich immer wieder feststellen, dass der Leitfaden zur Außenhandelsstatistik, der jährlich vom Statistischen Bundesamt aktualisiert herausgegeben wird, in den Fachbereichen unbekannt ist und nicht genutzt wird. In diesem Leitfaden sind sehr verständlich die einzelnen Datenfelder beschrieben, Sachverhalte und Zusammenhänge erläutert. Man findet dort auch Hinweise zu Vereinfachungen bei der Meldung von Zolltarifnummern, die – zugegeben – aus der alten Papierwelt stammen, sowie eine Befreiungsliste für bestimmte Geschäftsfälle. Insbesondere das Kapitel 7 „Beispiele und Sonderfälle“ fristet ein „Schattendasein“. Hier sind insbesondere Fallbeispiele im Bereich der Reihen- und Dreiecksgeschäfte, Veredelungsverkehre, Lagerlieferungen, Software und kostenlose Warenlieferungen mit den entsprechenden Umsetzungen für Intrastat aufgeführt.

Dieser Artikel soll all diese Fälle nicht nacherzählen, man kann in den Leitfaden schauen. Hier folgen nun die wesentlichen Stolpersteine, die auch jetzt schon vom Statistischen Bundesamt angemahnt werden:

1.) Zolltarifnummern und Warenbeschreibungen – ein Klassiker aus dem Zollbereich: Auch für die Intrastat-Meldung muss die Warenbeschreibung so präzise sein, dass die Zolltarifnummer eindeutig ermittelt werden kann. Jeder Artikel in einer EU-Lieferung muss mit einer Zolltarifnummer versehen sein. Es gibt immer noch Unternehmen, die nur eine Handvoll Zolltarifnummern für die Intrastat-Meldung verwenden, weil es sich dabei um eine Statistik und nicht um eine Zollanmeldung handelt. Dies ist jedoch ohne ausdrückliche Genehmigung des Bundesamtes zu vermeiden. Darüber hinaus werden Aktualisierungen der Zolltarifnummern zum Jahreswechsel oft übersehen. Auch Bestellungen mit „Dummy-Artikelnummern“ oder Platzhaltern haben keine festen Zolltarifnummern. Diese müssen im Einzelfall ermittelt werden. Eventuell könnte Künstliche Intelligenz bei dieser Ermittlung unterstützen.

2.) Reihengeschäfte Version 1: Drei Unternehmer aus zwei verschiedenen EU-Ländern vereinbaren ein Reihengeschäft. Zuerst muss eine steuerrechtliche Zuordnung erfolgen, und auf dieser Basis wird die Intrastat-Meldung erstellt. Häufig werden solche Reihengeschäfte im Hauptsystem jedoch nur als Änderung der Versandadresse erfasst und nicht als Reihengeschäft erkannt. Besonders die Variante, bei der ein deutscher Kunde eines deutschen Lieferanten eine Lieferung in ein anderes EU-Land wünscht, erfordert zwei verschiedene Lösungsmöglichkeiten, die voneinander abgegrenzt werden müssen. Das ERP-System kann dies oft nicht automatisch abbilden.

3.) Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft als Version 2 der Reihengeschäfte: Drei Unternehmer aus drei EULändern vereinbaren eine Lieferung vom ersten an den dritten Unternehmer. Auch hier wird dies im System oft nur als Adressänderung vermerkt und nicht mit dem richtigen Steuerkennzeichen versehen. Zudem muss die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des dritten Unternehmers im dritten EU-Land gemeldet werden, die dem ersten Unternehmer i. d. R. unbekannt ist, da sein Geschäftspartner der zweite Unternehmer ist. Auch hier muss zuerst die steuerliche Situation geklärt und anschließend die Intrastat korrekt abgebildet werden.

4.) Streckengeschäfte mit Einkaufsbeteiligung als Version 3 der Reihengeschäfte: Ein EU-Lieferant wird beauftragt, eine Direktlieferung an den Endkunden in der EU zu veranlassen. Dabei sind die Steuervorschriften zu beachten, und anschließend ist die Intrastat korrekt zu erstellen.

5.) Kostenlose Lieferungen: Diese werden in IT-Systemen bei der Intrastat-Meldung oft übersehen, da keine Rechnungsbelege mit Werten erstellt werden, sondern meistens nur Lieferscheine. Insbesondere Rücksendungen, kostenlose Ersatzlieferungen, Geschenksendungen und Sachspenden, die ebenfalls zu melden sind, fallen häufig durch das Raster. Für diese Lieferungen ist der statistische Wert der Ware zu ermitteln.

6.) Statistischer Warenwert: Dieser Wert kommt auch in Zollanmeldungen vor. Der statistische Wert entspricht dem Wert der Ware „frei deutsche Grenze“. Er weicht also vom Rechnungswert ab, da Lieferbedingungen sowie alle Leistungen bis zur deutschen Grenze berücksichtigt werden müssen. Wenn die Versendungen eines Jahres den Schwellenwert von 51 Mio. Euro oder die Eingänge den Schwellenwert von 49 Mio. Euro erreichen, ist der statistische Wert für alle Kaufgeschäfte verbindlich zu melden. Liegen die EU-Umsätze in einer Verkehrsrichtung unterhalb dieser Grenzen, muss der statistische Wert für alle kostenlosen Lieferungen und Veredelungen gemeldet werden.

7.) Veredelungslieferungen: Häufig auch als „Beistellungen“ bezeichnet. Kostenlose Beistellungen innerhalb der EU an den Veredler fallen oft aus dem Melderaster, da keine Rechnungen dafür vorliegen. Zudem sind die gemeldeten Werte nach der Veredelung oft nicht korrekt, weil der Wert des Vormaterials aus der Hinlieferung nicht erfasst wird. Steuerrechtlich wird es besonders dann interessant, wenn nach der Veredelung im EU-Land direkt ein Weiterverkauf an einen dritten Geschäftspartner erfolgt und keine Rücksendung an den Auftraggeber stattfindet.

8.) Lagerlieferungen: Hierunter fallen verschiedene Lieferarten wie z. B. Kommissions-, Konsignations- und Distributionslagerverkehre zwischen zwei EU-Ländern. Bei korrekter steuerrechtlicher Bewertung muss die Lieferung an das Lager als „Lieferung mit geplanter Eigentumsübertragung“ in der Intrastat-Meldung berücksichtigt werden. Anschließend muss jeder weitere grenzüberschreitende Geschäftsfall in der jeweiligen Verkehrsrichtung in der Intrastat erfasst werden.

 

Persönliches Fazit

Genug Diskussionsstoff ist schon jetzt gegeben, wenn man die Intrastat nicht nur als „Statistik“ alleine begreift, sondern die innerbetrieblichen EU-Geschäfte und Prozesse abbildet. Aber insbesondere die Verknüpfung zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer macht eine weitere Ebene auf, die die Behörden für Prüfungen und zum Aufspüren von Nachzahlungen und Bußgeldern nutzen werden. Selbst wenn man versehentlich bei Reihen- und Dreiecksgeschäften zu viel melden sollte, wäre dies immer noch eine bußgeldrechtlich falsche Meldung, da die Gesetze nicht in „gute Mehrmeldungen“ und „falsche Mindermeldungen“ unterscheiden.

Prüfungen der Finanzämter gehen üblicherweise drei Jahre zurück. 2022 sind die wesentlichen Änderungen und Verknüpfungen eingeführt worden, d. h., es liegen nun für 2022, 2023 und 2024 die Daten für vollständige rückwirkende Prüfungen vor.

Ein guter Zeitpunkt, um sich für 2025 zu fragen, ob man die Punkte in der generell unterschätzten Intrastat gut umgesetzt hat, insbesondere wenn die Einstellungen im ERP-System schon einige Jahre alt sind.

Der Autor

Bernhard Morawetz ist Fachkaufmann für Außenwirtschaft und Mitglied des DIHK-Außenwirtschaftsausschusses. Seit 22 Jahren berät und schult er insbesondere mittelständische Unternehmen in den Bereichen Zollprozesse, Tarifierung und Exportkontrolle.

Kontakt:
MAB Morawetz Außenhandels-Beratung
Regina-Spiegel-Str. 15
33829 Borgholzhausen
Telefon: 05425 933 321
E-Mail: bmorawetz@morawetz-beratung.de
Web: www.zoll-technik.de / www.morawetz-beratung.de

JETZT ABONNEMENT ANFORDERN UND KEINE AUSGABE VERPASSEN:

ZOLL.EXPORT

Die Zeitschrift für Verantwortliche
in der Zoll- und Exportabwicklung