Mit einer vernetzten Supply Chain zum digitalen Vorreiter - zoll-export.de
EXPORT- UND ZOLLPRAXIS KOMPAKT

Mit einer vernetzten Supply Chain zum digitalen Vorreiter

Was benötigen Unternehmen für eine integrierte Supply Chain?

Text: Darya Basarhina | Foto (Header): © Production Perig – stock.adobe.com

Wenige Branchen sind so von globalen Verflechtungen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen durchdrungen wie die Logistik. Damit Exporteure und Importeure diesen komplexen Netzwerk erfolgreich begegnen können, sind ein durchdachtes und aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel aller Beteiligten und ein durchgängiger Datenfluss unerlässlich. Der Schlüssel für den Erfolg liegt in einer integrierten Supply Chain, die alle Bereiche der Logistik gleichermaßen berücksichtigt und intelligent miteinander verknüpft.

Auszug aus:

Zoll.Export
Ausgabe Oktober 2021
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Wie schon in vielen anderen Geschäftsbereichen, sind heutzutage auch die Abläufe im Außenhandel zunehmend von digitalen Prozessen bestimmt. Der Alltag vieler Unternehmen sieht allerdings noch ganz anders aus. IT-Lösungen und Prozesse gleichen eher einem Flickenteppich als einer einheitlichen Systemlandschaft. Unternehmensinterne und -übergreifende Schnittstellen erweisen sich als schwer zu überwindende Hürden, und auch die Kommunikation zwischen Abteilungen oder gar verschiedenen Unternehmen läuft nicht immer reibungslos. Was also können Unternehmen insbesondere im Zoll und in der Außenwirtschaft tun? Und welche Vorteile der Digitalisierung und technischer Innovationen können sie nutzen, um sich zukunftsfähig aufzustellen?

 

Status quo: Digitalisierung ja, aber jeder für sich

Digitalisierung im Zoll und im Außenhandel ist nichts Neues. Bereits seit einigen Jahren laufen die Anmeldeprozesse bei der Zollverwaltung durch das IT-Verfahren ATLAS vollautomatisiert ab. Unternehmen nutzen zentrale Standardsoftwarelösungen für Zollmanagement und Exportkontrolle oder digitalisieren die Zolldeklaration über einen schnittstellenbasierten Datenaustausch mit ihren Dienstleistern. Mit geeigneten IT-Lösungen gelingt es dem Zollwesen immer besser, Prozesse zu vereinfachen und das Monitoring zu optimieren.Auch die anderen Bereiche entlang der zunehmend globalen Lieferketten haben nicht tatenlos zugesehen und in den vergangenen Jahren vermehrt auf die Einführung digitaler Prozesse und technologischer Unterstützung gesetzt. Vom Internet of Things (IoT) in der Produktion, über die Automatisierung von Lager- und Versandprozessen, bis hin zur digitalen Abbildung der letzten Meile in der Logistik kann man zahlreiche positive Ansätze beobachten.

Merkmale der intelligent digitalisierten Supply Chain

Das wesentliche Merkmal einer intelligent digitalisierten Supply Chain ist jedoch ihr unternehmens- und prozessübergreifender Ansatz. Der Markt bietet bereits eine Vielzahl technischer Einzellösungen an. Diese reichen von Lagerverwaltungssystemen über Zollsoftwarelösungen bis hin zu fahrerlosen Transportsystemen. Sie alle bilden allerdings immer nur einen Teilbereich der Logistik ab. Intelligente Logistik nutzt diese Lösungen als Bestandteil eines übergeordneten Konzepts, um die Prozesse und Akteure entlang der gesamten Supply Chain miteinander zu vernetzen.

Die Herausforderung: Je mehr Abläufe digitalisiert und miteinander vernetzt vorliegen, desto mehr Schnittstellen entstehen zwischen den einzelnen Akteuren. Wenn sich dabei jeder auf seine eigene, optimal auf den jeweiligen Bereich abgestimmte Insellösung verlässt, ist das Ergebnis statt Vereinfachung und Effizienzgewinn nur noch mehr Komplexität.
Diese Schnittstellen bilden oftmals geschäftskritische Nadelöhre in der Supply Chain, die überdies einheitliche und länderübergreifende Normen und Standards erfordern. Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen gewinnen in diesem Zusammenhang auch IT-Sicherheit und Datenschutz an Bedeutung. Umso wichtiger ist daher eine integrierte Plattformlösung, die alle Informationen der Supply Chain abteilungs-, unternehmens-, und sogar länderübergreifend berücksichtigt.

 

Digitalisierungspotenziale in Zoll, Außenhandel und darüber hinaus

Das Potenzial einer integrierten Supply Chain ist enorm. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bei Logistik- bzw. Supply-Chain-Prozessen kann dabei sowohl bestehende Prozesse verändern, z. B. durch Automatisierung, als auch bestimmte Logistikprozesse erst in Gang bringen, wie bei der Logistik der letzten Meile im E-Commerce.

Einzelne Abteilungen wie etwa die Zoll- und Exportkontrolle sollten bei der Ausgestaltung ihrer IT-Strategie immer auch eine weiterführende Digitalisierung der Prozesse berücksichtigen. Auf diese Weise können Sie vielfältige Möglichkeiten innerhalb des gesamten Unternehmens identifizieren, deren Umsetzung wiederum auch der eigenen Abteilung einen direkten Mehrwert liefert.

 

Integrierte Supply Chain: Beispiel

Der Vertrieb legt im Warenwirtschaftssystem einen Kundenauftrag an. Die Softwarelösung für Zoll- und Exportkontrolle, die über Schnittstellen angebunden ist, erhält im Hintergrund die Daten zur Prüfung. Darauf prüft das System die Kontaktdaten des Geschäftspartners, das Ziellandes und alle Materialien automatisch gegen Sanktionslisten, Embargos und exportkontrollrechtliche Bedingungen. Erfüllt der Datensatz eine Bedingung nicht, weil bspw. eine erforderliche Ausfuhrgenehmigung nicht vorliegt, wird der Auftrag gesperrt und nur ein Mitarbeiter der Exportkontrolle kann diesen wieder entsperren.

Notwendige Prüfschritte

In der Regel bereitet das Warenwirtschaftssystem nun den Versand vor und legt eine Lieferung und ggf. den Transport an. Auch an dieser Stelle durchläuft der Prozess automatisch die nötigen Prüfschritte. Als nächster Schritt im Prozess erfolgt die Festlegung des Zeitpunkt des Warenausgangs und die Daten für die Ausfuhrzollanmeldung werden zurück an die Zollsoftware gesendet. Der dort angelegte Zollbeleg wird mit Stammdaten aus der Zollsoftware, wie z. B. Zolltarifnummern, ergänzt. Im Idealfall trägt das System alle erforderlichen Daten für die Ausfuhrzollanmeldung automatisch auf Basis der Warenwirtschaftssystemdaten, den Stammdaten in der Zollsoftware und der darin hinterlegten intelligenten Logiken ein.

Beispielsweise können Sie die Ausgangszollstelle automatisch anhand der Route ergänzen lassen. Der so generierte Beleg wird elektronisch an die Zollbehörde übermittelt und die Überlassung zurückgesendet. Überschreitet die geplante Lieferung die EU-Außengrenze beim Versand, erfolgt als letztes die elektronische Benachrichtigung über den Ausgangsvermerk.

Unternehmensübergreifende Planung

Prozesse, wie hier dargestellt, laufen in einigen Unternehmen bereits vollständig automatisiert im Hintergrund ab. Sowohl innerbetriebliche als auch zwischenbetriebliche Logistikprozesse bieten jedoch Optimierungspotenzial: Im Idealfall können Sie eine intelligente Digitalisierung unternehmensübergreifend entlang der gesamten Supply Chain nutzen.

 

Vorteile einer digitalen Supply Chain

Die Vorteile einer digitalen Supply Chain für Zoll und Außenhandel liegen auf der Hand:

  • Fehlerquellen durch manuelle Prozesse oder Medienbrüche entfallen. Hierdurch ist die Einhaltung von Compliance-Vorgaben viel leichter.
  • Automatisiert ablaufende Prozesse erhöhen die Transparenz und Analysefähigkeit der Informationen.
  • Zoll- und Exportkontrollen werden einfacher. Es fallen weniger Ressourcen für das Risikomanagement an.
  • Prozesse, die an der Schnittstelle zur Zoll- und Exportkontrolle ablaufen, gewinnen an Effizienz. Beispielsweise kann man die Ermittlung und das Reporting von Stamm- und Transaktionsdaten zeitnah oder sogar in Echtzeit elektronisch durchführen. D.
  • Verbesserte Analyse- und Vorhersage-Modelle erhöhen die Transparenz und ermöglichen bessere Aussagen hinsichtlich möglicher Risiken und Einsparpotenzialen.

 

Grenzen der digitalen Supply Chain

Leider hinkt die Logistikbranche in Deutschland anderen Branchen in Sachen Digitalisierung teilweise noch hinterher. Dies zeigt z. B. auch der Digitalisierungsindex des Bundesamtes für Wirtschaft und Energie (BMWi). Tatsächlich wäre von einem  Bereich, der mit zahlreichen anderen Sektoren interagiert und von internationalen Verflechtungen und Kollaborationen abhängig ist, insgesamt ein höherer Grad der Digitalisierung zu erwarten. Denn gerade die stark vernetzten Branchen profitieren besonders von der Möglichkeit, ihre Abläufe digital abzubilden und zu steuern.

Herausforderungen

Organisationen, die an der Vernetzung über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg arbeiten, stoßen nicht selten beim Zoll und Export an ihre Grenzen. Denn Themen wie Blockchain, Machine-to-Machine-Kommunikation, Kryptowährungen oder Micro-Payments stellen Zollverwaltungen und Gesetzgeber vor ganz neue Herausforderungen. Nun stehen Daten, nicht Waren im eigentlichen Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit.

Auch der Austausch von Daten zwischen Zoll- und Sicherheitsorganisationen weltweit stellt noch immer eine Hürde dar. Zwar gibt es bereits seit geraumer Zeit Konzepte zu Trade facilitation oder Single-window, konsequent umgesetzt werden sie allerdings bis heute nicht. Die Umstellung auf eine elektronische Abwicklung hat z. B. in der EU stattdessen dazu geführt, dass sämtliche Mitgliedstaaten eigene IT-Systeme entwickelt haben. Eine Anbindung an alle Systeme ist daher für Anbieter von Standardsoftware-Lösungen kaum möglich.

 

Hürden und Chancen der digitalen Supply Chain

In der aktuellen Entwicklung geht es nicht nur um Digitalisierung, sondern um eine ganzheitliche Transformation von Unternehmen – auch bei der Zoll- und Exportkontrolle. Das übergeordnete Ziel der Digitalisierung von Zollbehörden sollte daher eine Vereinfachung der Unternehmensprozesse sein. Auf Unternehmensseite wiederum müssen auch rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle spielen und Digitalisierungsprozesse konsequent an den Vorteilen eines gezielten Zollmanagements ausgerichtet werden.

Seit geraumer Zeit, bestärkt auch durch die COVID-19-Pandemie, zeichnet sich in Unternehmen der Wechsel von analogen Systemen hin zu datengestützten und automatisierten Prozessen ab. Ob Datenerfassung im Lager, Informationsaustausch mithilfe von Cloud Computing oder digitale Datenanalyse: Um Bestände sichtbar zu machen und Bedarfsprognosen zu erstellen, findet eine zunehmende Vernetzung und Digitalisierung statt.

Einfluss wirtschaftlicher Entwicklungen

Gerade auch die aktuellen wirtschaftlichen  Entwicklungen zeigen: Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit gehören zunehmend zu Schlüsselfaktoren des Unternehmenserfolgs. Diese sind dann präsent, wenn ein Unternehmen einen reibungslosen Ablauf der integrierten Prozesskette geschafft hat. Dies beginnt bei intelligentem Bestandmanagement, zeigt sich aber auch im gelungenen Zusammenspiel aus Forecasting, Beschaffung und Produktion. Fertigung und Lieferung erfolgen immer mehr on demand. Geschäftspartner und Lieferanten sind in diese durchgängige Supply Chain ebenso integriert wie Kunden, mit dem Ziel, den Informationsfluss zu beschleunigen und maximale Steuerungsmöglichkeiten zu schaffen.

Intelligente Vernetzung und die Umsetzung digitaler Strategien sind nur durch entsprechend geschulte Mitarbeiter möglich. Bei Behörden genauso wie in der Wirtschaft nimmt agiles Arbeiten eine immer größere Bedeutung ein. Rollen innerhalb der Unternehmen ändern sich laufend, Kooperationen werden immer wichtiger. Im Idealfall sind staatliche Institutionen ein starker Partner von Wirtschaft und Gesellschaft und gestalten die Nutzung von unternehmens- und länderübergreifenden Daten so einfach und sicher wie möglich.

 

Fazit

Von einer transparenten Supply Chain, die in Echtzeit Daten zur Verfügung stellt, profitieren nicht nur Sender und Empfänger, sondern die gesamte Lieferkette. Integrierte Plattformlösungen erfassen hierfür große Datenmengen und bereiten sie entsprechend den jeweiligen Erfordernissen entlang der Supply Chain auf. Diese digitalen Ökosysteme ermöglichen eine ganzheitliche Steuerung der Wertschöpfungskette und können dadurch völlig neue Geschäftsmodelle erschließen.

Ein ganzheitlicher Unternehmensansatz setzt daher auf die integrierte Betrachtung von Supply Chain Management, Transport und Netzwerk sowie Intralogistik, um die Potenziale moderner Logistiklösungen voll auszuschöpfen.

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