EXPORT UND LOGISTIK

Rundum sorglos im Export

Sicherheit vom Erstgespräch bis zur Lieferung

Text: Chiara-Felicitas Otto | Foto (Header): © MAGNIFIER – fotolia.com

Exportorientierte Unternehmen stehen immer wieder vor der gleichen Frage: Wie kann man die Risiken in den Projektphasen eines Exportgeschäfts von der Anbahnung bis zum erfolgreichen Abschluss optimal absichern? Dieser Artikel zeigt verschiedene Möglichkeiten und Herangehensweisen in den üblichen Phasen auf und kann für Entscheidungsträger ein Leitfaden zur Risikominimierung sein.

Auszug aus:

Zoll.Export
Ausgabe Juni 2017
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Ein neues Exportprojekt steht an – eine sehr gute Nachricht für jedes exportorientierte Unternehmen. Aber mit der Realisierung des Projekts sind auch zahlreiche Risiken verbunden, die gegen die Chancen und den potenziellen Ertrag abgewogen werden wollen. Bestenfalls können die Risiken beziffert werden, um sie in den Angebotspreis einzukalkulieren. Das ist aber vielfach nicht möglich.

In jeder Situation eines Projekts existieren unterschiedliche Risiken, und es gibt verschiedene Wege und Instrumente, um mit ihnen umzugehen. Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten, Risiken zu minimieren:

  • Informationen sammeln, selbst oder durch Dritte bewerten (lassen) und dadurch Entscheidungssicherheit gewinnen
  • Risiken mit einer weiteren Partei teilen (z. B. durch vertragliche Vereinbarungen)
  • Risiken lassen sich in bestimmten Fällen auf eine andere Partei transferieren (z. B. in vertraglich fixierten Situationen, in denen ein entsprechendes Risiko von einem auf einen anderen Vertragspartner übergeht, weil dieser das Risiko unter der neuen Konstellation besser bewältigen kann).
  • zusätzliche (finanzielle) Puffer einrechnen oder Versicherungen abschließen

Im Folgenden wird ein typischer Ablauf eines Exportprojekts vom Erstgespräch bis zur Lieferung in acht Phasen untergliedert (siehe Grafik), die einzeln risikoseitig analysiert werden sollen. Für jede Phase werden mögliche risikominimierende Vorschläge gemacht, ein besonderer Fokus wird auf die Sicherung der beiden wichtigsten Faktoren gelegt: den Schutz der Mitarbeiter und der Zahlungsabsicherung und somit der finanziellen Sicherung des Unternehmens.

 

Anbahnung/Erstgespräch

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem Exportprojekt liegt in der Kundenakquise. Diese geschieht nur äußerst selten vom heimischen Schreibtisch im Büro – folglich müssen Vertriebsmitarbeiter häufig reisen.

Dienstreisen können Risiken bergen – v. a., wenn sie die Mitarbeiter in exotische Länder führen oder sogar in Krisenregionen. Sicherheit auf Dienstreisen wird in Zeiten großer politischer Unsicherheit und angesichts der Verbreitung des internationalen Terrors immer mehr zu einem prominenten Thema. Dabei gibt es eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen, die mit wenig Aufwand eingehalten werden können.

Grundsätzlich gilt, dass persönliche Kontakte eine gewisse Sicherheit vermitteln. Es ist bei Erstbesuchen durchaus vorteilhaft, wenn z. B. Terminvereinbarungen über die deutschen Auslandshandelskammern (AHKn) oder die Handelskammer vor Ort vorgenommen oder, wenn bei der Kontaktaufnahme offizielle Industrieverbände oder Unternehmensnetzwerke mit Branchenbezug genutzt werden.

Einen guten Anhaltspunkt für die aktuelle Lage im Reiseland bieten die Reise- und Sicherheits- sowie die Gesundheitshinweise des Auswärtigen Amtes (online verfügbar) oder die Risiko-Weltkarten von Control Risks, einem unabhängigen Risikoberatungsunternehmen, das regelmäßig aktualisierte Risikolandkarten veröffentlicht (online).

Mitarbeiter können von der Firma angehalten werden, vor Abreise ins Ausland eine Eintragung in die online beim Auswärtigen Amt geführte Liste „Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“ vorzunehmen.

Damit ist der deutschen Vertretung im jeweiligen Land bekannt, wer sich vor Ort aufhält, und kann im Krisenfall erforderliche Maßnahmen einleiten. Auch eine persönliche Meldung bei der deutschen Vertretung vor Ort kann eine gute Sicherheitsvorkehrung sein, wenn man sich länger im Land aufhält.

Für Reisen in sicherheitskritische Länder sollten für Mitarbeiter zusätzliche Versicherungen abgeschlossen werden. Der private Versicherungsmarkt bietet eine Reihe von Produkten an, die als „Kidnap, Ransom & Extortion“-Versicherungen bekannt sind und Fälle von Entführung, Lösegeldzahlungen sowie Erpressung decken.

Diskretion steht hier natürlich an erster Stelle, um die versicherten Mitarbeiter nicht zur Zielscheibe zu machen.

Das Sicherheitsempfinden auf Dienstreisen ist höchst unterschiedlich – hier muss auf die Einschätzung des reisenden Mitarbeiters Rücksicht genommen werden.

 

Angebotserstellung

Ist ein potenzieller Kunde gefunden und dessen Bedarf bestimmt sowie (technisch) definiert, muss ein Angebot kalkuliert und erstellt werden. Die Angebotserstellung sollte Kosten für Versicherungen (z. B. gegen Zahlungsausfall des Kunden oder Nicht-Abnahme des Exportguts), ggf. Gebühren für den Versicherungsbroker, eigene Finanzierungskosten, Kosten für Transport und Logistik (inkl. der üblichen Versicherungen) und einen Puffer einschließen.

Die Größe des Puffers kann sich an verschiedenen Faktoren orientieren. Die bisherige Export-Historie des Unternehmens in das Land kann hierbei genauso ein Anhaltspunkt sein wie z. B. Informationen über die lokale Gerichtsbarkeit und die Durchsetzbarkeit von Urteilen lokaler Gerichte. Länder, in denen gerichtlich zugesprochene Ansprüche auch durchgesetzt werden können, sind als sicherer anzusehen als Länder, in denen man im Streitfall jahrelang prozessieren muss.

Eine Faustregel für Puffer gibt es nicht – wir können an dieser Stelle nur dringend empfehlen, eine Vorkehrung einzukalkulieren.

 

Vertragsverhandlung und –erstellung

Das abgegebene Angebot hat den Kunden überzeugt? Das ist die beste Voraussetzung für den nächsten Schritt: Die Erstellung eines Exportvertrags und dessen Verhandlung. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Unternehmen, die über wenig Expertise im Export verfügen, gut beraten sind, erfahrene Anwälte hinzuzuziehen, um die Vertragsdokumentation sicher zu gestalten.

Die Einbeziehung international üblicher Handelsklauseln (z. B. Incoterms®) ist wichtig. Ebenso der Verweis auf den Gerichtsstandort bzw. die Definition des Verfahrens, sollte ein Schiedsgericht eingeschaltet werden. Ferner sollte eine Compliance-Klausel im Vertrag aufgenommen werden, die beiden Vertragsparteien (Exporteur und Käufer) bestätigt, dass das Projekt korruptionsfrei abgewickelt wird.

Die gewählte Währung kann ebenfalls große Auswirkungen haben. Wenn der deutsche Exporteur seine Materialien in Euro einkauft, das Exportgut aber in einer Fremdwährung bezahlt wird, sollte das Währungsrisiko abgesichert werden (z. B. durch ein Währungssicherungsgeschäft „Hedging“, ein Standardprodukt bei Geschäftsbanken).

Unternehmen, die nicht gleich eine internationale Anwaltskanzlei mandatieren möchten, können auf geprüfte Musterverträge von Institutionen (z. B. den IHKn) zurückgreifen. Es kann ggf. wichtig sein, den Vertragsentwurf mit der finanzierenden Bank und evtl. dem Versicherer zu diskutieren.

Sollte die Deckung einer staatlichen oder privaten Kreditversicherung einbezogen werden, muss der Exportvertrag gewisse vertragliche Mindeststandards enthalten, die vor Unterzeichnung des Vertrags aufgenommen werden müssen.

Im Nachhinein lassen sich erfahrungsgemäß solche Regelungen nicht mehr ergänzen – die Konformität mit den Regelwerken von Exportkreditversicherungen oder privaten Risikoversicherungen muss vor dem rechtlich bindenden Abschluss des Exportvertrags geklärt sein.

Für die Mitarbeiter, die die Vertragsverhandlungen vor Ort wahrnehmen, gelten die gleichen Absicherungsmöglichkeiten auf Dienstreisen wie bereits unter „Anbahnung/Erstgespräch“ dargestellt.

 

Finanzierung

Die Sicherung der vollständigen Bezahlung des Exportguts ist einer der wichtigsten Aspekte eines Exportprojekts, da ein Zahlungsausfall das Unternehmen empfindlich treffen kann. Die Zahlungsrisiken müssen daher bestmöglich abgesichert sein – v. a., wenn das Unternehmen mit diesem Geschäft den Markteintritt in ein bisher unbekanntes Land wagt.

Gerne verweisen wir hier auf die etablierten, als sicher geltenden Instrumente der Exportfinanzierung: Zahlung mittels (bestätigtem) Akkreditiv (idealerweise ausgestellt von einer Bank mit einem akzeptablen Mindestrating) oder kreditseitig durch eine gedeckte Bankfinanzierung (z. B. als gedeckter Lieferanten- oder Bestellerkredit strukturiert) unter Einbeziehung einer Versicherung (staatliche Exportkreditversicherung oder private Kreditversicherung).

An dieser Stelle sei erwähnt, dass der deutsche Versicherungsmarkt im kurzfristigen Bereich bei Exporten innerhalb der EU oder der OECD fast schon wie ein Forderungsverwalter für den Exporteur agiert. Für die exotischeren Länder (Ex-EU/Ex-OECD, Länderkategorien 4-7) bietet sich ein Blick auf den Londoner Versicherungsmarkt an, der aus mehr als 50 Versicherungsgesellschaften und Lloyd’s Syndikaten besteht.

Hier werden Versicherungssummen von mehr als 270 Mrd. US-Dollar verwaltet und es gibt quasi keine Risiken, die als „unversicherbar“ gelten – es ist im Zweifelsfall eine Frage des Preises für die Versicherungsprämie.

Die Absicherung von politischen und wirtschaftlichen Risiken ist bei Exportprojekten in Ländern mit hohem Länderrisiko dringend empfohlen – es gibt zahlreiche Instrumente, und diese sollten eingesetzt werden, um einen potenziellen wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden.

 

Fabrikation/Produktion

Der Exportvertrag ist unterzeichnet, eine vertraglich geregelte Anzahlung geleistet – die Produktion beginnt.

Bereits im Vorfeld dieser Phase lohnt es sich, über Risiken während der Produktionsphase des Exportguts nachzudenken. Handelt es sich um eine individualisierte Einzelfertigung, welche kundespezifische Merkmale aufweist, ist es ratsam, eine Fabrikationsrisikodeckung (ggf. inkl. Deckung des Anzahlungsbonds) abzuschließen.

Diese deckt die Risiken eines Produktionsstopps, z. B. im Fall der Insolvenz des ausländischen Kunden, bei Vertragsauflösung aus schwerwiegenden Gründen (z. B. Verweigerung der Annahme des Exportguts) oder aus politischen Gründen (kriegerische Ereignisse oder staatliche Maßnahmen im Importland), der Einführung von Sanktionen oder eines Handelsembargos gegen das Importland.

Die Versicherung deckt die im Rahmen des Exportgeschäfts angefallenen Produktionskosten, häufig aber keine Gewinnmarge. Eine Ausnahme stellt hier der Londoner Versicherungsmarkt dar, der auf dem Gewinnmargen von bis zu 10 % absicherbar sind. Eine Nichtabsicherung des Fabrikationsrisikos kann dazu führen, dass das Unternehmen ein (teilproduziertes) Exportgut in die eigene Bilanz übernehmen muss, weil es nicht oder nur mit hohem Abschlag anderweitig veräußerbar ist. Dem Unternehmen entsteht dadurch unweigerlich ein finanzieller Schaden.

 

Transport/Ablieferung

Nach der Produktion werden der Versand und die Ablieferung des Exportguts vorbereitet. Dazu gehört der Abschluss einer dem Versandweg (See- oder Luftfracht) entsprechenden Transportversicherung. Hierbei handelt es sich um ein weitgehend standardisiertes Versicherungsprodukt.

Üblicherweise werden bis zu 120 % des Exportwerts versichert, um im Schadensfall auch die Zusatzkosten einer potenziellen Ersatzbeschaffung oder ggf. die Zahlung von Pönalen aufgrund der Lieferverzögerung aus der Entschädigungssumme bestreiten zu können.

 

Installation und Übergabe

Die Risiken während der Installationsphase bzw. bis zur Übergabe des Exportguts an den Käufer übernimmt pflichtgemäß der Exporteur im Rahmen seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Eigenes Verschulden oder fehlerhafte Installation lassen sich nur schwer abdecken – es sei denn, es tritt ein Schaden als Folge eines anderen Ereignisses auf (z. B. Unwetter, Feuer, Force Majeure etc.).

Diese Ereignisse sind im Regelfall durch die Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt, es sollte aber dringend darauf geachtet werden, ob das auch bei Lieferungen ins (außereuropäische) Ausland gilt.

 

Garantiephase

Während der Garantiephase (die meistens durch einen Garantiebond in Höhe von 5 % des Exportwerts unterlegt ist), trägt der Exporteur die üblichen Risiken bis zur Rückgabe des Dokuments oder des Ablaufs des Bonds (z. B. automatischer Verfall x Monate nach Erbringung der Pflichten oder der Ablieferung/Übergabe an den Käufer).

Die ordnungsgemäße Rückgabe, die in Ländern mit schwierigen Jurisdiktionen ein langwieriger Prozess sein kann, ist leider nicht versicherbar, sehr wohl aber ungerechtfertigte Ziehungen des Bonds oder auch gerechtfertigte Ziehungen aufgrund von politischer Force Majeure. Der private Versicherungsmarkt bietet für diese Fälle eine Reihe von Möglichkeiten, die – je nach Käufer und Länderrisiko – in Erwägung gezogen werden sollten.

 

Fazit

Rundum sorglos im Export – gibt es das? Diese Frage haben wir uns für die Leser als potenzielle Exporteure gestellt und in der Tat für jede Projektphase verschiedene Ansätze gefunden, die ein Exportprojekt sichern können oder zumindest die Sicherheit erhöhen.

Dabei sind uns zwei Aspekte besonders wichtig: die Mitarbeiter (v. a. im Vertrieb) und die Zahlungssicherung, da diese den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erhält und damit den Unternehmensfortbestand

Der Autor

Chiara-Felicitas Otto ist geschäftsführende Gesellschafterin der exficon GmbH, einer Financial Advisory Firma, die sich auf Finanzierungslösungen für Export- und Projektfinanzierungen in Entwicklungsund Schwellenländern spezialisiert hat. Seit sechs Jahren berät sie mit ihrem Team Exporteure und hat die Realisierung zahlreicher Projekte erfolgreich begleitet.

Kontakt:
kontakt@exficon.de
www.exficon.de

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